Befragung einer Stadt

Unter welchen Blätter liegt der tanzende Stern verborgen?

»Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können«, ließ Nietzsche seinen Zarathustra einst bildgewaltig verkünden. Ein solches Chaos, im besten Sinne, birgt grenzenlose Möglichkeiten, ist der Ausgangspunkt wahrhaft freien Denkens und Handelns.
Quelle: activeintellect.com



August von Pettenkofen um 1850/60 (Nach der Schlacht), Albertina, Wien

Wie ist Kritik ausgeprägt, wann ist sie berechtigt und wie gestalten wir sie, wenn wir damit Erfolg haben wollen? Kritik an der Kunstförderungspolitik ist ein komplexes, langwieriges und anstrengendes Geschäft. Nicht nur gibt es bei jedem System die Zufriedenen, die aus guten persönlichen Gründen jegliche Änderung ablehnen, wie auch jene Genügsame, die lapidar ausgedrückt, ihren Arsch nie vom Sofa kriegen. Traditionellerweise kritisiert die junge Generation, die ihr Vorausgehende, die sie gern als Sesselkleber bezeichnet. Mit der Postmoderne hätte sich dieses Muster eigentlich längst erledigt haben müssen. Durch den Weiterbestand durch immer wieder neue Generationen von Kunstschaffenden, lässt sich eine viel grundsätzlichere Kritik am System Kunst verdeutlichen – ihre Lernunfähigkeit.

Gemeint ist die menschliche Natur, die dazu neigt, es sich immer etwas einfach zu machen, unabhängig vom Alter und Stand. Das zeigt sich daran, dass die Jungen trotz hohem Theoriewissen, sich als Rebellen sehen, obwohl sie Antipoden und Marionetten gleichzeitig selbst stellen. Darauf gehen wir später näher ein.

Auf der anderen Seite stehen die Vorgestrigen, die Amt und Würde stehen und ein starkes Interesse daran haben, dass sich nichts ändert. Sie sind die Eltern, die ihre Jugendlichen in den Kunstinstitutionen – im geschützten Rahmen – rebellieren lassen. Es ist eine Generation der Emporkömmlinge der Neoliberalen Ära, die ihre einstige systemkritische Haltung und entsprechendes Know-How zu ihrem persönlichen Nutzen umgemünzt haben. Entäuscht von der gesellschaftlichen Masse zementieren sie die pseudo-feudalistische Strukturen. Während der Freisinn der alten Schule noch anfällig auf ethische oder religiöse Bedenken ist, ist der neue Liberale smarter in der Verhinderung von Strukturwechseln. Er führt in die Zirkusarena nur jene eigene Jugend, die abhängig vom elterlichen Wohlwollen, sich lieber nur um sich selbst kümmert und nicht am eigenen Ast sägt. Das funktioniert sinngemäss nur, wenn alle sich auf dieses Tabu einigen und das Thema des Verlust dissen, weil VerliererInnen niemand am Tisch haben will.

Beispiel Wien

Wien ist eine Weltstadt mit dem Ruf einer Kunststadt, weil sie von den Horden von Touristenattraktionen in der Museumsviertel, über den Kunsthandel und Messen bis hinaus in die Quartiere und mit dem lokalen Gewerbe zusammen, beinahe alle Bereiche für die Kunst geöffnet hat. Das hat sie mit einer Strategie erreicht, die vor allem auf die Partizipation und Akzeptanz der Bevölkerung ausgerichtet ist. Kultur ist im Öffentlichen Bewusstsein keine Nebenbeschäftigung. Es ist eher so, dass, wer sich mit Kultur beschäftigt, einem Sinn folgt, der demjenigen, der dem Geld nachgeht, abgeht. Beides kann nebeneinander stehen und es lässt beiden den Raum, um gut zu leben, ohne es dem anderen zu neiden. Zudem stellt die Stadt den KünstlerInnen Infrastruktur und Jobs auf einem bescheidenen Niveau zur Verfügung. Im Unterschied zu Zürich vermarktet Wien seine KünstlerInnen mit Vehemenz. Wenn immer in Ausstellunegn der üblichen globalen Kunstschickeria aus Österreich oder Anderswo ein Platz frei wird, wird daneben eine lokale (heuer) meist weibliche Kraft platziert, ohne sich dafür zu genieren. Es ist auch nicht einfach nur Nationalistisch, sondern etwas viel Grundsätzlicheres treibt das Ritual um. Es ist Selbstbewusstsein, das in Zürich fehlt. Aus dem Heimischen wachsen ebenso leuchtende Blumen, wie aus anderen Einheimischen, deren Arbeiten gerade zu Gast sind. So verbindet Wien die Kulturen auf Augenhöhe und lesbar für alle. Dass das manchmal noch provinzell daher kommt, liegt daran, dass diese Praxis in Wien wegen der schieren Menge unkontrollierbar ist und entsprechend die Qualität der Exponate oft dem Zufall geschuldet ist, als einem ausgewogenen Auswahlverfahren unterliegt. Dazu kommt der Druck in Wien durch den Kunsthandel und die Kunstdynastien, die im hart umkämpften Markt, die seltenen Ausstellunsgplätze, gerne für ihre Zwecke hätten, weil diese – wie der Zürcher Galerist nu zu gut weiss – von der Öffentlichen Hand bezahlt wird. Ausgeglichen wird es durch die Menge an Massnahmen, die eine adäquates Infrastruktur bildet und die Achtung gegenüber den einzelnen KünstlerInnen.




Einstieg mit dem Blick des Heiligen Trinkers

Joseph Roth schrieb einst:... er kannte die Stadt seit Jahren... Er glaubte, dass sie ihm nichts Besonderes zu geben haben würde ... über die braven Städte in der braven Schweiz. Weiter erzählt er in der Novelle Büste des Kaisers: Nun gelangte er eines Nachts in eine der wenigen und nur Kennern zugänglichen nächtlichen Bars (American Bar) der sittsamen Stadt Zürich, in der, wie man weiss die Prostitution verboten ist, die Sittenlosigkeit verpönt und die Sünde ebenso langweilig wie kostspielig
(Die Büste des Kaisers. Nouvelles littéraires, Dezember 1934, Paris).





Theodor Mommsen,
über die Schweizer, nach dem politisch bedingten Verlust der Professur in Leipzig folgte er einem Ruf an den neugeschaffenen Lehrstuhl für Römisches Recht an die Universität Zürich. Hier lehrte er vom 29. April 1852 bis zum 27. August 1854: „Die gehören zum Froschgeschlecht, und man muss Gott danken, wenn sie Hochdeutsch sprechen und eine Serviette auf den Tisch legen.“ Trotzdem gibt es am Züriberg eine Mommensstrasse.
(Wikipedia)



Kapitel 1

Spätmittelalter, 13. bis zum Ende 15. JH.


Karte um ca. 1400. Quelle: wikimedia


Quellen:

1. J. C. Müller, 1854. Erzählband über historische Schweizer Geschehnisse
(Bezieht sich auf Chronisten wie Konrad Justinger (*1370 und +1438)
2. Sebastian Münster, Chromographia, Basel (zw.1544 bis 1650)
3. Hans Jacob Leu, Schweizerisches Lexicon, Zürich (1748)
4. Thomas Maissen, Geschichte der Schweiz (2022) Hier und Jetzt
5. Historisches Lexicon der Schweiz HLS
6. Altes Zeughaus Solothurn, Sammlung
7. Schweizerische Nationalbilbiothek/Digitale Sammlungen NB und Webarchiv Schweiz
8. Augsburger Flora, 7. Oktober 1866, Sonntagsausgabe, Nr. 80, Google Book
9. Zürcher Sagen und Geschichten, Schul- und Sportamt, Stadt Zürich 2023
10.Andreas Baumann, Aarauer Neujahrsblätter, Band 88 (2014), e-periodica.ch
11.Martin Illi, Alter Zürichkrieg, Toggenburger Erbschaftskrieg (2015), HLS
12.VBS/INVENTARIO
13.Johann Conrad Troll, Geschichte der Stadt Winterthur (1845), Google Book
14.Thomas Maisson, Schweizer Heldengeschichten und was dahinter steckt (2022), Hier und Jetzt
15. Weitere Quellenangaben auch in den Texten selbst


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